Wo brennt es am meisten in unserer Stadt?

Interview mit den Stadträten Otto Hutter und Alexander Süßmair über Mietsteigerungen, sozialen Wohnungsbau und asoziales Wohnen im Landschaftsschutzgebiet

Herr Hutter, Herr Süßmair, wo brennt es denn momentan am meisten in der Stadt, wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?


Alexander Süßmair: Der Wohnungsmarkt in Augsburg vor allem im Bereich bezahlbarer Wohnungen und echter Sozialwohnungen ist meines Erachtens das dringendste Handlungsfeld kommunaler Politik. Die Stadt Augsburg hat nach Berlin die zweithöchsten Mietsteigerungen nach Berlin zu verzeichnen. Gleichzeitig fallen jährlich viele Wohnungen aus der Sozialbindung – deutlich mehr als neue geförderte Wohnungen errichtet werden. Wir stehen also vor der Situation, dass immer mehr Menschen, die auf geförderten Wohnraum angewiesen sind, um immer weniger geförderten Wohnraum konkurrieren.

Otto Hutter: Ich möchte aus aktuellem Anlass hinzufügen, dass diese Situation schon vor dem Eintreffen der Flüchtenden so akut war. Die Politik von CSU, SPD und Grünen hat hier doppelt versagt: Zum einem wurde der soziale Wohnungsbau Anfang der 2000er Jahre abgeschafft, zum anderem wurden alle wissenschaftlichen Analysen ignoriert, die einen starken Zustrom von Flüchtenden prognostizierten.

Kurz: Man hätte 1. Den sozialen Wohnungsbau niemals zu einem privaten Gewinnerzielungsspiel machen dürfen, und 2. Man hätte schon lange europaweit sich auf höhere Flüchtlingszahlen einstellen und vor allem die Fluchtursachen bekämpfen müssen, an denen wir ja wahrlich nicht unbeteiligt sind.

Alexander Süßmair: Ich möchte noch einmal auf die Augsburger Situation im speziellen zu sprechen kommen: Wenn man sich die Konversionsflächen ansieht, die Augsburg in den letzten Jahren durch den Abzug des US-amerikanischen Militärs für neue Wohn- und Gewerbegebiete zur Nutzung bekommen hat, dann sieht man hier besonders deutlich das städtische Versagen, sozial verantwortlich mit diesen tollen Flächen umzugehen. Viele Einfamilienhäuser, maximal viergeschossige Mietwohnungsbauten, kaum sozial geförderter Wohnungsbau. Immer sehr hochwertig mit Aufzügen, Tiefgaragen etc. pp. Gleichzeitig aber keine Fünf-Zimmer-Wohnungen für große Familien. Alles in allem wird bei dieser Planung deutlich, an wen hier gedacht wird: Die gutverdienende deutsche obere Mittelklassefamilie mit nur einem Kind aber zwei Autos! Dass es in Augsburg aber auch viele Familien gibt, die drei Kinder und kein Auto haben, das wird bei solchen Planungen grundsätzlich nicht bedacht. Daher ja unsere Forderungen: Mehr sozialen Wohnungsbau mit einer Miete von 5 - 6 €/m2, dichtere und höhere Bebauung. Die barrierefreien Wohnungen kann man ins Erdgeschoss verlegen, dann braucht man auch keinen Aufzug! Und auch die Tiefgarage kann man sich sparen. Vielmehr sollte der ÖPNV attraktiver und bezahlbarer werden.

Otto Hutter: Hier müsste die Stadt endlich ein integriertes Konzept von Wohnen und Verkehr aufstellen, das der motorisierten Individualverkehr auf das Abstellgleis stellt und stattdessen ÖPNV, Fahrrad und Fußgängern den Vorrang einräumt! Das wäre nachhaltig und sozial.

Zum Stichwort sozial möchte ich noch zwei Bemerkungen mir erlauben: 1. Die unsäglichen Einlassungen einiger Wohnungsbesitzer, man wolle keine sozial Schwachen als Nachbarn, hatte für Empörung gesorgt. Deshalb beschwichtigte Dr. Mark Dominik Hoppe, Chef der Wohnungsbaugesellschaft. Circa zwei Drittel (!) aller Augsburger hätten Anspruch auf einkommensabhängige Förderung, also keineswegs nur sozial Deklassierte. Man muss nur einen Satz weiterdenken, um sich klar zu machen, was das bedeutet: Wenn Personen mit einem Monatseinkommen über 5.500 Euro in den Genuss der Förderung kommen, und deren Wohnungen somit zu den vielbeschworenen 30 Prozent geförderte Wohnungen zählen, kann man sich leicht ausrechnen, was dann für Menschen bleibt, die gerade mal um das Existenzminimum herum verdienen.

2. Im Zusammenhang mit dem von der CSU geplanten Baugebiet beim Landschaftsschutzgebiet Radegundis, das ein reines CSU Gefälligkeits-Projekt ist, um wenigen Reichen ihre Villen im Grünen zu ermöglichen, hat die CSU zu Protokoll gegeben, ihr gehe es nicht nur um soziales Wohnen, sondern um Wohnen für alle.

Dazu möchte ich festellen: Damit zeigt die CSU, dass sie nicht weiß, was sozial bedeutet. Sozial bedeutet ja gerade gemeinschaftlich, also für alle. Was die CSU wirklich will, ist exklusives Wohnen für wenige, um nicht zu sagen asoziales Wohnen. Außerdem widerspricht die Entwicklung in Radegundis dem Integrierten Flächennutzungskonzept von Augsburg: Innen- vor Außenentwicklung und führt zu einer nicht notwendigen Zersiedelung mit zusätzlichen Infrastrukturausgaben.

Alexander Süßmair: Uns verwundert auch, dass eine in der vergangenen Stadtratsperiode von der Stadt Augsburg selbst in Auftrag gegebenen Studie zur Bebauung in Radegundis nun ignoriert wird, die zu dem Ergebnis führte, das diese Maßnahme nicht sinnvoll ist.

Herr Süßmair, Herr Hutter, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.